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Erschienen am 08.04.2014 um 13:41 Uhr
Seit etwa einem Jahrzehnt diskutieren Ethiker und Mediziner die Vor- und Nachteile von pharmakologischem Neuro-Enhancement. Dieser Begriff bezeichnet den Einsatz von ursprünglich zur Behandlung von Krankheiten entwickelten Arzneimitteln oder einschlägiger Nebenprodukte der biomedizinischen Forschung, die bei Gesunden verwendet werden, um eine kognitive Leistungssteigerung zu erzielen.
Einer dieser Wirkstoffe ist Modafinil, das durch einen bisher unbekannten Mechanismus die Wachheit verbessert. In Deutschland wurde Modafinil 1998 als aktiver Wirkstoff des verschreibungspflichtigen Medikaments Vigil von der Cephalon GmbH auf den Markt gebracht. Modafinil wurde entwickelt, um die übermäßige Tagesschläfrigkeit von Narkolepsiepatienten zu behandeln. Es wurde als vielversprechender Wirkstoff wahrgenommen, da es sich in seiner Wirkung deutlich von den bisher bekannten Psychostimulanzien unterscheidet. Im Gegensatz zu herkömmlichen Stimulanzien fördert es nur spezifisch die Wachheit, ohne zu den nervösen Nebenwirkungen zu führen, die zum Beispiel von Koffein, Ephedrin oder Amphetaminen hervorgerufen werden.
In den letzten Jahren wurde in den Medien zunehmen über die vermeintlich missbräuchliche Verwendung von kognitiv leistungssteigernden Medikamenten berichtet. Der Modafinil-Umsatz allein wird innerhalb der Vereinigten Staaten zu 90 % auf Verschreibungen außerhalb der vorgesehenen Indikationen zurückgeführt. Besonders unter Schülern und Studenten soll dort der Missbrauch weit verbreitet sein. Es wurden aber auch Zweifel von Experten geäußert, ob dieser Sachverhalt in der Realität tatsächlich so dramatisch ist, wie er in den Medien dargestellt wird. Andere Fachleute befürchten, dass dies nur die Spitze eines sprichwörtlichen Eisbergs sei und dass der Trend zum Neuro-Enhancement in Zukunft gravierende Folgen für die Struktur und Funktionsweise der Gesellschaft nach sich ziehen wird.
Einige der schwerwiegendsten ethischen Einwände gegen Neuro-Enhancement zielen auf die erwarteten sozialen Folgen ab. Kritiker vertreten den Standpunkt, dass Neuro-Enhancement voraussichtlich einen deutlichen sozialen Druck zur Nutzung dieser Drogen erzeugen wird. Wer sie ablehnt, werde in das Dilemma gedrängt, entweder Nachteile in Ausbildung und Beruf zu akzeptieren oder die Mittel entgegen der eigenen Überzeugung zu verwenden.
Ein weiteres Problem stellt das Risiko dar, von den Präparaten abhängig zu werden. Im Jahr 2009 führte das Ärzteblatt JAMA im Auftrag der US-Regierung eine nicht repräsentative Studie durch, die auf einen Zusammenhang von Modafinil mit dem Hormon Dopamin hindeutet, dem eine besondere Funktion im Belohnungssystem des Gehirns zugeschrieben wird. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass das Suchtpotential wesentlich höher sein könnte, als bisher angenommen. Weitere Forschungen deuten darauf hin, dass das Abhängigkeitspotential nicht so hoch ist wie bei Amphetaminen, wobei die Ergebnisse mehrere Langzeitstudien noch abgewartet werden müssen.
Immer noch unklar ist ebenso, ob das Neuro-Enhancement-Potenzial von Arzneimitteln wie Modafinil nicht etwa weit überschätzt wird. Ihr tatsächlicher Nutzen entspricht großteils nicht den Erwartungen. Doch auch diejenigen, die eine positive Wirkung verspüren, werden durch die Medikamente nicht intelligenter. Die Pillen ersparen ihnen nicht die Eigenleistung des Lernens und Denkens. So müssen sich Studenten auch mit den Konzentrationspillen nach wie vor beim Lernen anstrengen. Die unerwünschten Wirkungen – dazu zählen unter anderem schwere Zusammenbrüche mit Leistungseinbußen beim Absetzen des Medikaments – sind immer zu beachten. Nachweislich möglich ist eine kurzfristige Verbesserung von Wachheit, Konzentration und Aufmerksamkeit – zumindest dann, wenn ein Mensch müde oder geschwächt ist.
Sascha Leeb
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